Gemütlicher Angriff auf die Autokultur
Seit vergangener Woche stehen temporär elf Aufbauten in der Innenstadt, die je zwei bis drei Parkplätze belegen. Mancher kritisiert, dass dies den Parkdruck weiter erhöhe. Andere sind begeistert, dass die Straße nicht mehr nur den Autos gehört – zumindest partiell.
S-Süd – Während sich im Internet wütende Gegner der Parklets Luft machen, saugen deren Befürworter auf dem Sitz-Parklet in der Tübinger Straße die letzten Sonnenstrahlen des Tages auf. Der stufenförmige Holzbau ist seit vergangener Woche vor der Gaststätte Galao aufgebaut. Schätzungsweise zweieinhalb Parkplätze belegt er. Er ist einer der elf Parklets, die bis Ende September am Straßenrand stehen und den Leuten eine alternative Nutzung offerieren.
„Mich hat dieses anonyme Gemecker im Internet aufgeregt“, sagt Martin Zentner von den Stadtisten. Deshalb hat sein Verein auf Facebook für Mittwochabend zu einem Austausch von Angesicht zu Angesicht auf das Parklet in der Tübinger Straße geladen. Aber jetzt kommt keiner, der Parklets blöd findet. „Haben wahrscheinlich hier keinen Parkplatz gefunden, sind wieder heimgefahren“, frotzelt einer vom Podest runter. Einstweilen füllen sich die gezimmerten Sitzstufen mit Befürwortern, die nun darüber diskutieren, warum das Projekt im Internet so leidenschaftliche Gegner findet. „Da geht’s nicht um den einzelnen Stellplatz, der wegfällt, sondern ums Prinzip“, ist man sich einig. Die Parklets seien ein frontaler Angriff auf die eingefleischte Autokultur in einer Stadt, die seit der Erfindung des Automobils von dieser Technik geprägt sei.
Take-Away-Hocker
Inzwischen haben die mitgebrachten Kinder herausgefunden, dass man die Papphocker, die in den Hohlräumen unter den Sitzstufen stecken, herausnehmen und wegtragen kann. Einige Erwachsene machen es nach, klemmen sich die Hocker unter die Arme und entschwinden Richtung Marienplatz.
Genau so war das von Fin Lasse Oldach auch gedacht, dem Planer, Erfinder und Erbauer des Parklets Tübinger Straße 90. Die Papphocker sind da, weil es auf dem Marienplatz zu wenig öffentliche Sitzgelegenheiten gibt. Bislang hatte die Hocker keiner bemerkt, obwohl das Sitzpodest selbst gut angenommen wird. Oft ist es schon am Nachmittag bevölkert, sagen die Chefs des Galao. Marcel Brucker und Reiner Bocka fanden die Parklet-Idee sofort charmant als einer der Studenten vom Projekt bei ihnen anfragte, ob sie die Patenschaft dafür übernehmen wollten. Das hat sie ein bisschen Strom gekostet, sie haben Lagerfläche zur Verfügung gestellt und gießen jetzt die Pflanzentöpfe auf dem Podest. Außerdem stiftet das Café die Papphocker. „Was wir brauchen, sind nicht mehr Parkplätze, sondern mehr Flächen zum Leben“, sagt Bocka. Doch in der Nachbarschaft sei das temporäre Bauwerk auf wenig Sympathie gestoßen. Es wurde gemutmaßt, dass sich das bei jungen Leuten beliebte Bistro Galao allmählich amöb über den ganzen Straßenraum ausbreiten wolle. Bocka winkt ab: „Fremdgetränke sind auf dem Parklet ausdrücklich erwünscht. Das ist öffentlicher Raum! Wir bewirten da gar nicht.“
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Liebe Leser
ich wäre dafür, dass wir das mal mitmachen. Einfach ein kleines Treffen, gemütliches Beisammensein und den öffentlichen Raum nützen und benutzen.
Wer will mitmachen?
Schaut vorbei
Frank